Wat Kaal Vam Ebbe Mejnt
Karl vom Ebbe auf dem Schützenfest – Frühschoppen 1972
Warum Feiern schlank und Einfaches froh macht; was Pförtner verbindet und warum die Ortsmitte platt gemacht werden muss; womit die Stadthalle an- und die Ortsmitte überbaut werden kann; was es in Meinerzhagen immer noch nicht gibt.
Da sitzen sie nun, die Meinerzhagener Jungen
mit blitzenden Augen und trockenen Zungen.
Drei Tage sind sie zu Fuß marschiert,
mit Blasen an den Zehen und die Füße poliert,
mit Schweiß unter den Augen und Dampf im Kopf,
so zogen sie hinterm König zum Schützenplatz rauf.
So mancher, der aufs Klo mit dem Auto fährt,
hat in diesen Tagen das Laufen wieder probiert,
dem wird seine Hose aber schnell zu weit,
wenn man damit drei Tage durch die Straßen zieht;
früher da sprach man über so etwas nicht,
heutzutage heißt das: „Trimm dich fit!“
So erhält das Schützenfest in seiner ganzen Geschicht’
mit jeder Generation sein eigenes Gewicht.
Weißt du, was uns’ren Alten an diesem Fest gefiel,
zu einer Zeit, als man keinen Pfennig übrig hatte?
Wo man sich für‘n Schwarzbrot’n Tag lang das Kreuz krumm bog
und mit Flicken in der Hose in die Kirche zog?
Kaum dass man genug hatte, ne trockene Kartoffel zu schälen,
geschweige denn ein Schützenfest auf die Beine zu stellen.
Die Freude war, auch mit einfachen Sachen
sich selber und andere ein wenig froh zu machen.
Was ist das doch schwer in der modernen Welt,
der eine will Ansehen, der andere will Geld,
wo bleibt da die Zeit, auf deinen Nachbar zu achten,
und wie nötig es wäre, über einen Witz zu lachen.
Nichts schöner, als wenn man dem Menschen ansieht,
dass er seine Briemule zum Lachen verzieht.
Es war eines Morgens, ich wollte noch zum Wirth,
kam geradewegs über die Insel marschiert,
hier waren früher dicke Steine und Dreck,
da studiert heute Deutschlands Elite.
Schulpforta – so heißt diese Intelligenzfabrik;
für Meinerzhagen, sagt man, ist es ein Aushängestück.
Wir liefern von hier aus in allen Qualitäten
für die ganze Welt diese Kapazitäten.
Was die so alles auf dem Kasten haben,
das weiß man, wenn man sie sprechen lässt:
hebräisch, römisch, was kein Mensch mehr hört,
sprechen die Jungs, als hätten sie `s auswendig gelernt.
Bloß Platt, das hat mir so leid getan,
das kann da oben keiner verstehn.
Nicht einer weiß, was Schnobbetriakele sind,
und auch eine Wahrsagerin, die kannten sie nicht,
sie machten ein dermaßen dummes Gesicht,
als ich fragte: Was ist denn die Pimpergicht?
Einer meinte, ich wär aber im Bilde,
man könnte glauben , ich gehörte zur Pförtnergilde.
Ich hab ihm gesagt – und verzog keine Miene:
Ich war fünf Jahre Pförtner bei Abrie & Kühne.
Es war vor einiger Zeit, bin zu Fuß gelaufen,
ich wollte mir noch ein Stück beim Schweinehändler kaufen,
hab mir die Kiepe übers Kreuz geschlagen
und bin den Prumbomweg runter gegangen.
Da reiß’ ich doch Mund und Nase offen
im ersten Moment dachte ich: Du bist besoffen!
Ich meinte, der Teufel hätte mich geholt,
da lagen doch die ganzen Häuser am Boden.
Unten von *Jüngers alten Kafitte,
auch *Schultens Gustav seine Wagenschmiede,
alles was es so im Zentrum gab,
reißen sie eins nach dem anderen ab.
Wenn das die alten Pohlbürger sähen,
dass ihre Häuser auf’m Haufen lägen,
die nähmen `nen Hammer und `nen dicken Stein
und schlügen die Sachen auf dem Amt kurz und klein.
Da kann man ja doch in Bosheit geraten,
die Polizei stand dabei und ließ alles so laufen.
Sie kamen auf mich zu und hörten mein Schimpfen;
ich hab noch gesagt, so was könnte man auch sprengen –
bei diesem Wort „sprengen“, wenn man es richtig nimmt,
kriegten die Polizisten so `ne Unruhe ins Hemd.
Sie hatten den Verdacht, mit meiner ‚Bombe’ auf dem Kopf
wär ich Sprengmeister bei der Baader-Meinhof-Gruppe.
Nun soll – ich habe was munkeln hören,
da unten eine Stadthalle gebaut werden,
damit die Leute wissen, wohin sie soll`n gehen
und nicht immer an den Ecken stehen.
Da kann man denn, wenn man will, alles drin machen –
Theater spielen und all diese Sachen –
Polterabend kann man auch darin feiern;
man braucht sich nicht mehr auf die Füße zu treten.
Ein Saal zum Tanzen so recht für die Alten,
hier kann *Manfred Luda seine Wahlreden halten.
Das alles, so meinen die hohen Herren,
soll für die Leute in Meinerzhagen gebaut werden.
Hinten herum hörte ich, ich glaube beim *Wirth,
darüber haben sie im Stadtrat schwer debattiert,
die Ratsherren machten ein riesiges Gezetere,
hintendran bekommt die Stadthalle noch ein Eros-Center.
Das alles ist so wichtig für die kulturelle Welt,
`s wird Zeit, dass sie bald was auf die Beine stellen.
Es fehlt auch nicht mehr an guten Plänen:
Es ist nichts zu machen, die Groschen fehlen.
Gestern morgen war es, da fiel es mir ein,
zum Bürgermeister will ich auch damit hin:
in München haben sie ein Dach – das ist ja bekannt –
das ist über die gesamte Olympiade gespannt.
Wer weiß, ob sie es hinterher noch gebrauchen können,
ich glaube, das Ding schmeißen sie nachher sowieso weg.
Wenn du dir die Situation so besiehst,
denke ich, wir bekämen es für’n halben Preis;
und stellen die Sache im Dorfe auf,
dann hätten wir wenigstens ein Dach überm Kopf.
Es bliebe das ganze Jahr über stehen,
da könnten die Marktweiber auch drunter gehn,
wir hätten dann da unten statt Mauern und Zäunen
was besseres als eine Freilichtbühne.
Ich habe es gestern auch unserem König erzählt,
unter dem Dach wäre auch viel Platz für eine Bedürfnisanstalt.
Man kann von den Leuten nicht mehr verlangen,
immer ihren Hintern in den Westwind zu hängen.
Das war es, was ich sagen wollte an diesem Morgen,
lassen wir sie liegen diese weltlichen Sorgen.
Lasst uns dem *König sein Bier versaufen,
und können wir nicht mehr laufen, dann müssen wir krauchen.
Noch aber steht alles auf beiden Beinen,
na dann Horrido! – und nehmt noch einen.