Wat Kaal Vam Ebbe Mejnt

Karl vom Ebbe auf dem Schützenfest – Frühschoppen 1960

Warum Männer gegenüber dem Geschimpfe ihrer Frauen unempfindlich sind und die Gemeindeverwaltung große Felsenbrocken besorgen will; warum ein Fackelzug auch am hellichten Tag möglich sein soll und Karl vom Ebbe eilig eine Taxifahrt antritt.

Was ist das hier bloß für ein Rabatz,
das ganze Dorf ist ratzekahl leer.
Man sieht keinen Menschen durch die Straßen laufen,
hier oben sitzen sie und sind am Saufen.
Man sollt’ es nicht für möglich halten,
was diese Bengels (auch die Alten)
sich alles in den Kopf reinkippen
und dabei auch noch aufrecht sitzen!
Wenn ich mir so die Jungens besehe –
die Mütze im Nacken und müde in den Knien –
dann muss ich mir sagen, es hat sich nichts verändert,
so war es schon vor fünfzig Jahren.

Auch damals, da hatte jeder zu kramen und zu krabbeln,
man musste 104 mal Erbsensuppe schlabbern.
Und dann war es da, das schöne Fest,
und kein Mensch fuhr nach Triest.
Auch damals schimpften die Weiber die Mannsleute aus,
die machten sich schon früher nicht viel daraus.
Sie waren dabei mit ganzem Herzen,
und haben sich auf der (Vogel)Rute die Hosen durchgesessen.
So sind sie schon früher für uns marschiert:
Schoppmanns Wilhelm, der Ganser und auch August Wirth.
Und wenn uns nun der Höher Emil von oben sieht,
dann wird er sagen: Julius, da unten ist es wieder so weit.
Das ist ja das Schöne, was mir imponiert,
wenn alle zwei Jahre wir hier zusammen feiern.
Hier kann man auch mal ne Backe voll riskieren
und über Dinge reden, die sollten passieren.
Ein paar davon habe ich heute dabei,
ob gut oder schlecht, darüber lässt sich streiten.

Ich habe mir gestern die Sprungschanze besehen,
ich glaube, da hat sich so manch einer daran verguckt.
Ist bloß gut, dass da keiner runterspringt,
wer weiß, was man von ihm da unten noch wiederfind’t.
Wenn die Löcher noch ein bißchen größer wären im Zaun,
das gäbe langsam einen schönen Aussichtsturm.
Du bezahlst keinen Eintritt, bräuchtest kein Billett. 
Es war ja nicht der Mühe wert, das ganze Objekt.
Das Skispringen, darüber bestimmen ein paar ortsfremde Herren:
ich glaube, darüber müsste gesprochen werden!
Die Gemeinde will nun große Felsen organisieren,
um damit die Schanze einzuzementieren.
So mancher von uns kann dann mit Rucksack und Seilen
jeden Sonntag die Nordwand vom Jägerhorn  besteigen.
Von hier müsste sich keiner mehr zu den Alpen aufmachen,
das Jodeln würde uns Körbis August noch beibringen.

Ich habe gehört, es soll eine neue Straße gebaut werden,
doch sind sie sich nicht einig, die hohen Herren!
Die einen wollen hü, die anderen wollen hot,
noch einer meint, es ginge nicht so flott.
Ich meine, man sollte das ganz anders machen
und stehen lassen die alten Sachen,
die alten Häuser, Zäune und Wege,
und gehen einfach drunter her.
Von August Huckens Ziegenstall
bis hinter Dönneweg seiner Kegelbahn!
So könnte man geradewegs unter Meinerzhagen drunter her laufen,
und kein Mensch müsste etwas verkaufen.
Man bräuchte keinen Schirm, wenn man heim käme,
es guckte auch keiner, wenn man besoffen wär.
Alles das wären schöne Sachen,
man könnte sogar einen Fackelzug zum Frühschoppen machen.

Es war vor nun fast vierzehn Tagen, 
ich weiß nicht, wie es kam, ich hatt’ es am Magen.
Ich stand vor der Dränke und rückte an der Mütze,
und plötzlich überkam’s mich: Ich musste aus der Hose.
Es wurde mir warm und auch wieder kalt,
ich glaube, ich habe meine Farbe gewechselt.
Die Leute, sie sprachen von einer Operation,
ich aber stand kurz vor einer Explosion.
Ich lief in den Park, ich meinte es noch gut,
aber die Büsche, die alten, die waren nun fort,
da stand nun ein Papierkorb auf hohen Beinen,
mein Gott, ich hatte keine Zeit: Sollst es riskieren?
Im letzten Moment, ich hielt stille im Satze,
beim Spannagel stand ja doch ein „Häuschen“ auf dem Platze ,
Das gab mir Mut, ich wollt’ noch nicht klagen,
ich knöpfte noch einmal alles zusammen.
ich schaute wie ein Iltis um das Sparkasseneck:
Hol mich der Teufel, das Häuschen war weg!
Es gab kein Nachdenken, wer hat es weggeräumt.
Nun glaubte ich selber, ich hätte es geträumt.
Mit einem Satz war ich beim Spannagel drin,
nicht an der Theke, ganz durch nach hinten.
Ich reiß’ an der Tür, ich war nachgeschwitzt, 
da stand das schäbige Wort: „Besetzt“.
Mir wurde es langsam schwarz vor den Augen,
ein Griff nach hinten, da saßen die Sorgen. 
Ich war nun in Not, ich konnt’ nicht mehr laufen,
ich konnte nur noch deutlich „Taxi“ rufen.
Das gab eine Fahrt, so schnell wie der Wind.
Ich dacht’ an meine Frau und auch an mein Hemd.
Wir steuerten direkt auf den Schützenplatz hinauf,
man konnte es mir ansehen, mir war ziemlich flau.
Wenn du rein kommst links, da steht der Palast,
zu diesem Moment war ich der einzige Gast.
Die Sache ging gut, es gab kein Maleur,
und draußen  vorm Haus, da stand der Chauffeur.
Ich habe die Sache unserm Bürgermeister erzählt,
er meinte auch: Es ist was schönes - so `ne „Bedürfnisanstalt“.

Ich muss nun gehen, ich habe keine Zeit,
bis rauf ins Ebbe ist es noch weit.
Das eine, das muss ich aber noch sagen, 
so müsst ihr das Schützenfest immer feiern.
Und marschieren unsere Kinder einst mit weißen Haaren,
dann sollten sie noch sagen: 
So war es auch schon vor fünfzig Jahren. 

Fritz Sträter und Wilhelm Vogel  nach der "Karl vom Ebbe"-Premiere 1960
Fritz Sträter und Wilhelm Vogel nach der "Karl vom Ebbe"-Premiere 1960